25.2.2

25.2.2 Depression

Erst mit der Pubertät tritt der vom Erwachsenen bekannte klassische dreifache Symptomenkomplex der depressiven Erkrankung vollständig auf:

  • negatives selbstentwertendes Denken, Sorgengrübeln, Denkhemmung
  • depressiv niedergedrücktes Gefühl, Traurigkeit, Verlassenheitsgefühl
  • reduzierte Aktivität, sozialer Rückzug

Die Trauer gehört wie die Freude zum gesunden menschlichen Leben, während wir uns freuen, sind wir weltzugewandt mit der Tendenz, uns selbst in unserem Umkreis, in der sozialen und auch in der Objektwelt zu verlieren. Durch die Trauer hingegen tritt die Gegenbewegung, die Besinnung auf uns selbst, auf unser Subjekt in Kraft. Trauer bringt eine Tendenz zur Passivität mit sich, Freude die Tendenz zur Aktivität. Im gesunden Wechsel der psychischen Zustände schwingen wir zwischen nachdenklichen und handelnden Phasen, zwischen Freude und Trauer hin und her.

Übersteigert aber führen beide Tendenzen ins Krankhafte.Wird der Prozess des Schwingens gestört, kommt es zu einer Fixierung auf dem einen oder anderen Pol, dann entstehen pathologische Zustände. Das Grüblerische, Zurückgezogene und Traurige ist Kennzeichen der Depression, das nach außen gerichtete, unüberlegte Handeln ist Kennzeichen der Manie. Auf der Gefühlsebene ist die Erste häufig mit negativen Affekten, die Letztere mit grundlosen Hochgefühlen verbunden. Krankhaft werden affektive Seelenzustände auch durch ihr situationsunan­gemes­senes Auftreten, ihre relative Häufigkeit und ihre ungewöhnliche Intensität. Verstärkt wird dies noch durch ihre Automatisierung und die damit einhergehende Unmöglichkeit der Selbstkontrolle.

Man unterscheidet vier Arten von Depressionen (lateinisch: Niedergedrückter Zustand):

  1. Depressive Episoden, diese sind mehrwöchige depressive Phasen, je nach der Schwere der Erkrankung teilt man sie in leichte, mittelgradige und schwere Episoden ein.
  2. Reaktive Depressionen, diese sind depressive Reaktionen auf Lebensereignisse, z.B. den Tod eines Angehörigen.
  3. Disthymie oder Disthymia (griechisch: Gemütsstörung): diese ist eine chronische, über Jahre andauernde depressive Verstimmung.
  4. Die Bipolare Störung (manisch-depressive Erkrankung), bei der depressive und manische Episoden, also zwei Pole, abwechseln.

Bis zum Schuleintrittsalter macht die Depression sich eher durch Gehemmtheit, Inaktivität und sozialen Rückzug im Handlungsbereich (Motivation) sowie Klagen über körperliche Beeinträchtigungen, Müdigkeit, besonders Bauchschmerzen und Kopfschmerzen bemerkbar. Im Schulalter tritt neben den genannten körperlichen und handlungsnahen Elementen, die jetzt vor allem in Form von Lernstörungen auftreten, das Gefühl (Emotion) deutlicher hervor durch In-sich-gekehrt-Sein und Ängste, z.B. Versagensangst und Schulangst. Das gedankliche Element (Kognition) wird immer wichtiger, niedriger Selbstwert, Sinnlosigkeitsempfindungen, auch Suizidgedanken kommen hinzu. Die Jugendlichen sind jetzt in der Lage, die Depression in Vorstellen, Fühlen und Handeln differenziert wahrzunehmen und zu beschreiben. Dabei ist die niedergedrückte Stimmung der vorliegende problematische psychische Zustand, der therapeutisch von der Motivation und Kognition ausgehend positiv beeinflussbar ist.

 

Ätiologie, Epidemiologie und Prognose

Die eigentlichen Ursachen von depressiven Erkrankungen sind bisher nicht geklärt. Physikalische Ursachen können Lichtmangel und körperliche Erschöpfung sein. Die neuerdings wieder mehr diskutierte Temperamentenlehre spricht von einer körperlichen Disponierung durch das melancholische Temperament, also einen erblichen Faktor. Jedenfalls ist die Beteiligung des Hormonstoffwechsels und die Beteiligung erblicher und anderer biologischer Faktoren unstrittig. Ebenso unstrittig sind psychosoziale Faktoren wie Traumata, Trennungserfahrungen, Bindungsstörungen, fehlende Handlungskompetenz im sozialen wie auch individuellen. Ca. 3% aller Kinder leiden unter schweren depressiven Episoden, häufig ist die depressive Störung bei Kindern mit einer Angststörung verbunden. Der Verlauf bei depressiven Verstimmungen und depressiven Reaktionen ist insofern positiv, als sie gut auf therapeutische Maßnahmen ansprechen. Bei schweren depressiven Episoden ist die Prognose nicht günstig. Insgesamt muss bei Auftreten von Depressionen in der Kindheit und Jugend mit einem erhöhten Risiko auch für das Erwachsenenalter gerechnet werden.

 

Pflegerisches Handeln

Pflegerinnen und Pfleger sollen für das depressive Kind positive soziale Lebensbezüge sein. Verstimmungen, Trauer, auch wenn sie aufgrund von Wahrnehmungsverzerrungen zustande kommen, sollen ernstgenommen werden. Pflegepersonen sollen also nicht versuchen, den Betroffenen durch Argumente umzustimmen. Stattdessen sollte der Schwerpunkt auf der Aktivierung des Kindes liegen. Verhalten und Sprache müssen gut beobachtet werden (verlangsamtes Verhalten, Zurückgezogenheit, übersteigerte Euphorie). Das Kind muss auf eventuell vorhandene Suizidabsichten und parasuizidale Handlungen ange­sprochen werden. Bei einem begründeten Verdacht sollten sofort die fachlich zuständigen Personen bzw. Stellen (Arzt, Psychotherapeut, Klinik) eingeschaltet werden.