25.4 Intelligenzminderung, geistige und psychische Behinderung
Das Konzept der Intelligenzbestimmung beruht darauf, eine Auswahl von Aufgaben vorzugeben, die die kognitive Leistungsfähigkeit einer Testperson abbilden können. Die Testperson bringt davon einen Teil oder alle in einen inhaltlich sinnvollen Zusammenhang. Der Anteil der richtigen Aufgaben an der Gesamtmenge wird bestimmt und in Beziehung zum Lebensalter gesetzt. Der so errechnete Wert wird als Intelligenzquotient (IQ) bezeichnet. Den hierbei ermittelten Durchschnittswert der Bevölkerung, den Wert, um den die meisten liegen, setzt man mit 100 an. Je weiter man sich von diesem Durchschnitt nach oben oder unten entfernt, umso mehr nimmt die Zahl der Personen mit diesem IQ ab. Mehr als 2/3 der Bevölkerung haben (nach Wechsler) einen Wert zwischen 85 und 115.
In einem Bereich von IQ 85 – 70 spricht man im allgemeinen von Intelligenzminderung (Steinhausen 2000), unter 70 von geistiger Behinderung. Intelligenzminderungen von geistigen Behinderungen zu unterscheiden ist nicht einfach, da man in der Kommunikation gewohntermaßen das Schwergewicht auf die verbale Sprachfähigkeit legt. Bei der Testkonstruktion versucht man, nonverbale kognitive Fähigkeiten durch bildhafte und manuelle Anteile in den Tests zu erfassen. Intelligenzmessungen sind neben vielen anderen Faktoren erheblich vom Selbstbewusstsein, der Konzentrationsfähigkeit, der Umgebung und der Tagesform der Probanden abhängig. Daher sind sie, auch weil sie sich im wesentlichen auf kognitive Fähigkeiten beziehen und damit nur einen Ausschnitt der gesamten Fähigkeiten darstellen, bedingt aussagefähig für das geistige Leistungsvermögen eines Menschen. Personen mit Intelligenzminderungen brauchen zur optimalen Entwicklung ihrer geistigen Fähigkeiten besondere, auf den Einzelfall bezogene heilpädagogische und sonderpädagogische Förderung sowie gegebenenfalls Psychotherapie. Außerordentlich wichtig ist es, den Grad der Bewusstheit der Behinderung bei den Betroffenen richtig einzuschätzen. In der Regel leiden diese schon lange unter sozialer Stigmatisierung, wodurch sich verschlimmernde psychopathologische Anteile zusätzlich auflagern und oft zu Hoffnungslosigkeit und destruktiven Selbstkonzepten geführt haben.
Intelligenzminderung tritt auch bei ca. 95% der Menschen mit frühkindlichem Autismus auf. 60% von ihnen haben eine geistige Behinderung. Menschen mit frühkindlichem Autismus fallen schon früh durch eingeschränkte soziale Aktivität auf, z.B. als Säuglinge, die nicht lächeln, als Kleinkinder, die Blickkontakt vermeiden. Die Sprache kann meist nicht sozial angewendet werden. Andere Menschen rufen keine emotionale Resonanz hervor. Oft bestehen eingeschränkte und stereotype Verhaltensmuster, Aggressionen, Selbstverletzungen, Ess- und Schlafstörungen sowie Phobien.
Ätiologie, Epidemiologie und Prognose
Intelligenzminderungen und geistige Behinderungen treten bei ca. 10% der Bevölkerung auf. Schwerste geistige Behinderungen sind meistens durch Hirnverletzungen, fetale Schädigungen (z.B. Alkoholmissbrauch der Mutter), Geburtsschädigungen, Erkrankungen und Schädigungen in der frühen Kindheit verursacht. Psychogene Intelligenzminderungen entstehen vor allem durch Traumatisierung und negative Erfahrungen bei Lernprozessen.
Frühkindlicher Autismus kommt sehr selten vor, bei ca. 0,05% der Kinder. Man geht hier heute von einer hirnorganischen Ursache aus, vor allem, weil bei etwa der Hälfte der Betroffenen somatische Veränderungen des Gehirns nachweisbar sind.
Alle Kinder mit Intelligenzminderungen und Autismus machen durch Heilpädagogik und Therapie Fortschritte, ein großer Teil von ihnen bleibt jedoch auf Sonderschulen und Behinderteneinrichtungen angewiesen.
Pflegerische Maßnahmen
In jedem Fall sollte das Kind mit einer Störung der Intelligenz oder mit Autismus als individuelle Persönlichkeit angesehen werden, die hochwahrscheinlich in ihrem Innenleben, was sie ja nicht angemessen mitteilen kann, sich sehr bewusst mit ihrer Behinderung und ihrem Anderssein auseinandersetzt. So ergibt sich aus der Störung oft aggressives Verhalten, auf die gleichmütig, konsequent und selbstschützend reagiert werden sollte (s. Kap. 25.2.1). Eine konsequente und strukturierte Umgebung, die die Aktivität der Kinder fordert, unterstützt am ehesten den Entwicklungsfortschritt.