25.7

25.7 Elternarbeit

Die Zusammenarbeit von Ärzten, Psychotherapeuten und Pflegepersonen mit den Eltern stellt bei allen psychischen Problemen von Kindern und Jugendlichen einen tragenden Pfeiler dar. Niemand kennt die Kinder und Jugendlichen so gut wie deren Eltern. Keiner hat, gerade bei jüngeren Kindern, einen so großen Einfluss auf sie. Gewinnt man die Eltern für eine gemeinsame Zielsetzung, so steht die Hilfemaßnahme unter einem günstigen Stern.

In diesem Zusammenhang ist nicht Raum genug, alle Bereiche der Elternarbeit zu nennen. Konzentrieren wir uns daher auf einige wesentliche Aspekte. Zunächst einmal ist es wichtig zu sehen, dass oftmals auch die Eltern unter den Problemen ihrer Kinder leiden. Umgekehrt zeigen sich Probleme der Eltern auch an den Auffälligkeiten der Kinder. Dies gilt um so stärker, je einschneidender diese Probleme und je jünger die Kinder sind. Zu nennen sind hier psychische Störungen der Eltern wie Depressionen oder Suchtverhalten (Alkoholismus). Konflikte zwischen den Eltern spielen gleichfalls eine wichtige Rolle. Das gilt bei den unterschiedlichen Formen von familiärer Gewalt ebenso wie bei Trennung und Scheidung.

Die Auswirkungen der elterlichen Probleme auf die Kinder sind oftmals nicht spezifisch, d.h. man kann aus ihnen nicht leicht auf die Art der Ursache schließen. So kann ein sozialer Rückzug und niedergedrückte Stimmung eines Kindes sowohl eine Folge der Trennung seiner Eltern sein, als auch die Folge eines sexuellen Missbrauches. Gerade die „Aufdeckung“  vieler vermeintlicher Fälle von sexuellem Missbrauch, die Erzieher nach entsprechenden Fortbildungen aus den Zeichnungen von Kindern herauslesen zu können glaubten, mahnen zur Vorsicht und zur Sorgfalt bei der Mutmaßung über Hintergründe. Diagnostik und Anamnese psychischer Probleme sollte nur durch geschultes und erfahrenes Personal erfolgen.

Besonders schwierig für Pflegepersonen ist der Umgang mit Problemen, denen verborgene Konflikte zugrunde liegen, die einzelnen Mitgliedern oder der ganzen Familie gar nicht bewusst sind. Aus ihnen ergeben sich oft heftige Auseinandersetzungen zwischen Familienmitgliedern, die sich in den Augen von Außenstehenden um Kleinigkeiten drehen. Pflegepersonen, denen solche Konflikte auffallen, können ihre Sichtweise freundlich und klar aussprechen. Sie müssen aber mit heftigen Abwehrreaktionen rechnen. Nicht selten fühlen sich Eltern im Stillen schuldig für die Probleme ihrer Kinder. Ein Hinweis auf die möglichen eigenen Anteile am problematischen Verhalten ihrer Kinder, der von außen kommt, kann diese unterschwelligen Schuldgefühle aktualisieren und beispielsweise zu einem emotionalen Zusammenbruch oder zu einer aggressiven Zurückweisung führen.

Bei der Zusammenarbeit mit Eltern ist es wichtig, sich stets darüber klar zu sein, dass die Eltern ihre Kinder in aller Regel nach bestem Wissen und Gewissen erziehen.Auch wenn man als Außenstehender vielleicht andere Werte hat, Dinge erkennt, die vermeintlich schlecht laufen, oder mutmaßliche Erziehungsfehler entdeckt hat, sollte man nicht der Versuchung erliegen, in den Eltern die Schuldigen am Übel des Kindes zu sehen. Die Schuldfrage, sofern es sich beispielweise um strafrechtlich relevante Handlungen handelt, muss ggf. vor Gericht geklärt werden, für das Handeln der Helfer im Rahmen ihrer Betreuungsaufgabe ist die Beschäftigung mit dieser Frage von der seltenen Ausnahme strafrechtlich relevanter Vorkommnisse abgesehen, nicht hilfreich. Für sie geht es vor allem darum, jene Faktoren zu finden, die aus den Schwierigkeiten herausführen.

Will man als Pflegeperson Kindern und Jugendlichen helfen, ist ein gutes Verhältnis zu den Eltern für alle Beteiligten hilfreich. Weder sollte man versuchen, ein besserer Elternteil zu sein, noch ist es gut, sich als verlängerter Arm der Eltern bei der Durchsetzung ihrer Erziehungswünsche zu versuchen. Erkannte Probleme sollten ruhig und sachlich mit Kindern und Jugendlichen angesprochen werden. Wo dies aus welchen Gründen auch immer nicht möglich ist, sollten wichtige Beobachtungen und Informationen – z.B. im Rahmen von Fallkonferenzen – an die behandelnden Psychotherapeuten weitergegeben werden.